Der offene Vollzug ist eine Form des Strafvollzugs, bei der Gefangene tagsüber einer Arbeit oder Ausbildung nachgehen und abends sowie am Wochenende in die JVA zurückkehren. In Nordrhein-Westfalen stellt der offene Vollzug die regelmäßige Vollzugsform dar. Im offenen Vollzug haben Inhaftierte ein hohes Maß an Selbstbestimmung. Sie können sich tagsüber frei bewegen und müssen sich nur zu bestimmten Zeiten in der JVA melden und an vorgeschriebenen Maßnahmen teilnehmen. Aus diesem Grund ist diese Form des Strafvollzugs bei Gefangenen sehr beliebt. Die Verlegung vom geschlossenen Vollzug in den offenen Vollzug stellt eine der wichtigsten Lockerungen dar. Ist diese Hürde erst einmal überwunden, stehen die Chancen auf eine vorzeitige Haftentlassung nach Verbüßung von Halbstrafe oder Zweidrittelstrafe („gute Führung“) gut. Dementsprechend ist ein direkter Haftantritt oder ein frühzeitiger Wechsel in den offenen Vollzug eines der wichtigsten Ziele für Verurteilte.
- Sofortige Ladung in den offenen Vollzug (§ 10 StVollzG)
- Verlegung in den offenen Vollzug innerhalb einer kurzen Frist zum Arbeitsplatzerhalt
- Verlegung in den offenen Vollzug nach vorheriger Erprobung im geschlossenen Vollzug
- Voraussetzungen für eine Unterbringung im offenen Vollzug
- Die Entscheidungsfindung der JVA
- Rechtsschutzmöglichkeiten des Gefangenen
- Erfolg ist planbar
- Fazit
Sofortige Ladung in den offenen Vollzug (§ 10 StVollzG)
In Nordrhein-Westfalen besteht die Möglichkeit eines Direkteinstiegs im offenen Vollzug. Diesen Vorteil können auch Verurteilte aus anderen Bundesländern nutzen, in dem sie rechtzeitig einen Wohnsitz in Nordrhein-Westfalen anmelden.
Ob Verurteilte direkt in eine Anstalt des offenen Vollzugs geladen werden und welche JVA dies sein wird, bestimmt sich in Nordrhein-Westfalen nach zuvor festgelegten Kriterien im Vollstreckungsplan. In den offenen Vollzug werden Verurteilte geladen, die sich vor Strafantritt in Freiheit befinden und zum Antritt der Strafe geladen werden (umgangssprachlich „Stellungsbefehl“). Das gilt allerdings nicht, wenn die Haftstrafe wegen Sexualstraftaten erfolgt ist oder Sexualstraftaten einer Verurteilung wegen Vollrausch (§ 323a SGB) zugrunde lagen.
Verurteilte, die sich nach der Gerichtsverhandlung noch in Haft befinden, können nach Feststellung ihrer Eignung in den offenen Vollzug geladen werden, sofern die Strafe nicht mehr als 30 Monaten beträgt. Zur Prüfung der Eignung kommen solche Verurteilte zunächst in die JVA Hagen und nehmen dort am sog. Einweisungsverfahren teil. Nach Abschluss dieses Verfahrens werden die Gefangenen in die ausgewählte Stamm-JVA verlegt, wobei dies sowohl eine Anstalt des offenen wie auch eine Anstalt des geschlossenen Vollzugs sein kann.
Alle übrigen Verurteilte, also solche, die eine Strafe von mehr als 30 Monaten verbüßen müssen, werden in eine Anstalt des geschlossenen Vollzugs geladen und können nur durch eine Erprobung im geschlossenen Vollzug in eine Anstalt des offenen Vollzugs verlegt werden (sog. Progression).
Das Gute ist, dass Verurteilte in Nordrhein-Westfalen nicht nur überprüfen können, ob sie in eine Anstalt des offenen Vollzugs geladen werden. Es ist darüber hinaus bestimmbar, welche JVA dem Verurteilten zugewiesen wird. Hierzu müssen Sie nur die relevanten Daten in die Suchmaske eintragen.
Verlegung in den offenen Vollzug innerhalb einer kurzen Frist zum Arbeitsplatzerhalt
Der offene Vollzug ist die Regelvollzugsform für geeignete Gefangene (§ 10 StVollzG). In den meisten Bundesländern existieren abweichende Regelungen, so dass dort im Regelfall am Anfang eine Einweisung in den geschlossenen Vollzug erfolgt. Allerdings entbinden die Regelungen der einzelnen Bundesländer als bloße Verwaltungsvorschriften nicht von der gesetzlichen Verpflichtung, eine Entscheidung im Einzelfall zu treffen. Ein nach objektiven Kriterien geeigneter Verurteilter darf nicht dadurch belastet werden, dass er zunächst in den geschlossenen Vollzug geladen wird und dadurch Gefahr läuft, seinen bestehenden Arbeitsplatz zu verlieren.
Nach einer Entscheidung des Bundesgerichtsverfassungsgerichts (2 BvR 725/07) ist es aber zulässig, den Gefangenen für kurze Zeit (zumindest für die Dauer von 2 Wochen) in den geschlossenen Vollzug einzuweisen, um ihn auf seine Eignung für den offenen Vollzug zu prüfen. Nach der Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts muss eine Verlegung geeigneter Gefangener in den offenen Vollzug dann erfolgen. Geschieht dies nicht und droht deshalb ein Arbeitsplatzverlust, sollte eine gerichtliche Entscheidung (§ 109 StVollzG) beantragt werden.
Wie groß die Chancen im Einzelfall sind, hängt von weiteren Faktoren wie dem Wohnort, den bisherigen Werdegang des Verurteilten sowie das von ihm begangenen Delikt und die Höhe der Freiheitsstrafe ab. Auch werden einige zufällige Gegebenheiten wie die aktuellen Kapazitäten der Anstalten des offenen Vollzugs mitentscheidend sein. Sind freie Plätze verfügbar, können Verurteilte direkt für den offenen Vollzug eingeplant werden. Sind zu dem Zeitpunkt des beabsichtigten Haftantritts keine freien Plätze vorhanden, könnte hingegen eine Einplanung zunächst im geschlossenen Vollzug erfolgen. In diesem Fall wird sich der Verurteilte eine baldige Verlegung in den offenen Vollzug erkämpfen müssen.
Verlegung in den offenen Vollzug nach vorheriger Erprobung im geschlossenen Vollzug
Liegen die Voraussetzung für einen sofortigen Strafantritt im offenen Vollzug nicht vor, kann eine Verlegung in den offenen Vollzug durch eine Erprobung im geschlossenen Vollzug erreicht werden (sog. Progression). Voraussetzung ist, dass eine Unterbringung in den offenen Vollzug „verantwortet“ werden kann. Das bedeutet eine günstige Prognose dahingehend, dass der Gefangene sich nicht durch eine Flucht dem Strafvollzug entziehen wird oder den offenen Vollzug zur Begehung von Straftaten ausnutzt. Ferner ist erforderlich, dass der Gefangene mit dem Regelwerk im offenen Vollzug zurechtkommen wird. Das Modell des offenen Vollzugs bietet den Gefangenen mehr Freiheiten, fordert aber im Gegenzug auch mehr Eigeninitiative und Absprachefähigkeit vom Gefangenen ein. Diesen Anforderungen muss der Gefangene gerecht werden und dies dadurch zeigen, dass er sich im geschlossenen Vollzug an Abläufe gehalten hat und allgemein als verlässlich gilt. Bestimmte Fristen, innerhalb derer die JVA über eine Verlegung in den offenen Vollzug entscheiden muss, existieren nicht. Sie muss eine Verlegung in den offenen Vollzug demnach auch nicht planen.
Die Verlegung in den offenen Vollzug ist ein wichtiger Bestandteil des Resozialisierungsprozesses. Zur Vorbereitung der Entlassung sollen Gefangene möglichst frühzeitig in den offenen Vollzug verlegt werden. Nach dem Leitbild des Gesetzes soll die Entlassung aus der Justizvollzugsanstalt aus dem offenen Vollzug erfolgen.
In der Praxis ist hingegen eine Entlassung aus dem geschlossenen Vollzug heraus entgegen der gesetzlichen Konzeption Gang und Gebe. Laut Statista befanden sich 2022 bundesweit satte 36,559 Inhaftierte im geschlossen Vollzug gegenüber nur 5.933 Inhaftierte im offenen Vollzug. In NRW sind 2023 insgesamt 4200 Haftplätze im offenen Vollzug gegenüber 14.700 Haftplätze im geschlossenen Vollzug vorhanden. Gefangene sollten daher frühzeitig einen Antrag auf Verlegung in den offenen Vollzug stellen. Es ist nicht weiter schlimm, wenn der erste Antrag abgelehnt wird. Die JVA muss sich nach Antragstellung immerhin mit den Begehren des Gefangenen auseinandersetzen und ihm die Gründe für die Ablehnung mitteilen sowie diese schriftlich fixieren. Dadurch hat der Gefangene die Möglichkeit, die Bedenken der Justizvollzugsanstalt aus dem Weg zu räumen und die Voraussetzungen für eine Verlegung in den offenen Vollzug zu schaffen. Ist die Ablehnung der JVA nicht gerechtfertigt, kann der Gefangene einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung (§ 109 Strafvollzugsgesetz) stellen.
Quellen: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1353132/umfrage/strafgefangene-im-geschlossenen-und-offenen-vollzug/
https://www.justiz.nrw.de/Gerichte_Behoerden/landesjustizvollzugsdirektion/statistik_und_forschung/zahlen_daten_und_fakten/index.php
Voraussetzungen für eine Unterbringung im offenen Vollzug
Der Gefangene muss für den offenen Vollzug geeignet sein. Die Eignung des Gefangenen setzt voraus, dass er den besonderen Anforderungen an den offenen Vollzug genügt und dass eine Fluchtgefahr oder eine Missbrauchsgefahr zur Begehung von Straftaten nicht besteht. Auf den ersten Blick scheinen diese Hürden nicht hoch zu sein.
„Besondere Anforderungen an den offenen Vollzug“
Im offenen Vollzug bestehen entweder keine oder nur verminderte Sicherheitsvorkehrungen gegen eine Flucht. Es gibt in der Regel keine Gefängnismauern oder sonstige Sicherheitsmaßnahmen, die eine Flucht der Gefangenen verhindern könnten. Die Gefangenen sollen schließlich tagsüber arbeiten oder an anderen Maßnahmen eigenverantwortlich teilnehmen.
Damit dieses System funktioniert, können nur solche Bewerber für den offenen Vollzug als geeignet angesehen werden, die in einem gewissen Umfang eigenverantwortlich handeln können, sich als zuverlässig und absprachefähig erwiesen haben und auch die Bereitschaft zur Mitarbeit an Maßnahmen zeigen. Nur solche Personen genügen den „besonderen Anforderungen an den offenen Vollzug“. Hier kommt es also auf den Charakter des Gefangenen an und das Verhalten, welches er bislang während des Strafvollzugs gezeigt hat. Verstöße gegen die Anstaltsordnung (besonders wenn dadurch Disziplinarverfahren gegen den Gefangenen eingeleitet werden) und das negative Einwirken auf andere Gefangene sind Kriterien, die gegen eine Eignung für den offenen Vollzug sprechen. Die JVA darf andererseits aber auch keine zu strengen Anforderungen an die charakterliche Eignung des Gefangenen stellen.
„Fluchtgefahr“
Für die JVA schwieriger nachzuweisen ist der Begriff der Fluchtgefahr. Die pauschale Behauptung, der Gefangene werde ich entziehen, ist nicht ausreichend. Die JVA muss anhand von konkreten Tatsachen begründen können, dass eine Flucht oder die Begehung von Straftaten im offenen Vollzug wahrscheinlicher sind, als dass dies nicht passiert. Solche Tatsachen können durch frühere Fluchtversuche, das Beiseiteschaffen von Vermögenswerten, fehlende soziale Beziehungen oder ein neues Ermittlungsverfahren sein. Denn ein offenes Verfahren birgt die Gefahr, dass der Gefangene mit einer weiteren Strafe zu rechnen hat, was seine Bereitschaft erhöht, sich dem Verfahren zu entziehen. Es ist zwar nicht erforderlich, dass die JVA eigenständig prüft, ob das neue Verfahren auch zu einer Verurteilung führen wird. Allerdings muss die JVA sich Kenntnis vom konkreten Tatvorwurf und dem aktuellen Verfahrensstand verschaffen, wenn sie eine Verlegung in den offenen Vollzug mit dem offenen Ermittlungsverfahren begründet. Insbesondere Bagatelldelikte sind nicht geeignet, den Fluchtanreiz substanziell zu erhöhen. Häufig kommen die Justizvollzugsanstalten ihrer Verpflichtung zur Nachforschung nicht nach. In der Praxis werden Gefangene häufig pauschal als ungeeignet angesehen, wenn ein neues Ermittlungsverfahren bekannt wird. Das ist aber rechtlich unzutreffend und sollte mit einem Antrag auf gerichtliche Entscheidung (§ 109 Strafvollzugsgesetz) angegriffen werden. Die JVA begründet ihre ablehnenden Entscheidungen oft mit pauschalen Wertungen ohne gesicherte Tatsachenbasis. Aus diesem Grund sind Rechtsmittel gegen solche Entscheidungen der JVA, die mit einer Fluchtgefahr begründet werden, überdurchschnittlich häufig erfolgreich.
„Missbrauchsgefahr“
Eine Missbrauchsgefahr liegt vor, wenn der Gefangene die Möglichkeiten der Unterbringungen im offenen Vollzug zur Begehung von Straftaten ausnutzt.
Entsprechend der Fluchtgefahr muss auch die Annahme einer Missbrauchsgefahr auf konkreten Tatsachen beruhen. Allein die Tatsache, dass sich ein Missbrauch nicht ausschließen lässt, genügt nicht.
Zulässig ist eine Bewertung der Persönlichkeit des Gefangenen, seiner Lebensverhältnisse vor der Haft, etwaige frühere Strafen, die Umstände und Schwere der Tat aus dem Urteil, aufgrund derer der Gefangene in Haft ist, die Tatmotivation und die Entwicklung des Gefangenen im Strafvollzug.
Die Missbrauchsgefahr lässt sich aber nicht ausschließlich mit den begangenen Taten, der Art des begangenen Delikts (zum Beispiel Sexualdelikte) oder einer fehlenden Mitarbeit an der Behandlung oder das Fehlen einer günstigen Sozialprognose festmachen. Sie muss wie die Fluchtgefahr positiv festgestellt werden.
Auch können weitere Straftaten oder konkrete Hinweise darauf für eine Missbrauchsgefahr sprechen. Die JVA ist hier aber wie bei der Fluchtgefahr verpflichtet, vor einer Entscheidung weitere Informationen über das Verfahren einzuholen.
Es gelten im Übrigen dieselben Erwägungen wie bei der Fluchtgefahr: Rechtsmittel gegen Entscheidungen, die auf eine Missbrauchsgefahr gestützt sind, sind überdurchschnittlich erfolgreich und sollten sorgfältig geprüft werden.
Im Ergebnis interpretiert die JVA die verwendeten Begriffe weit. Zusammenfassend lässt sich allgemein sagen, dass Gefangene regelmäßig dann für ungeeignet gelten, wenn
- ein weiteres Ermittlungs- oder Strafverfahren noch offen ist
- ein Auslieferungsverfahren oder Ausweisungsverfahren (Abschiebung) anhängig ist
- der Gefangene ein Suchtproblem hat, insbesondere wenn eine Maßregel der Besserung und Sicherung gem. § 64 StGB oder eine Zurückstellung der Strafvollstreckung gem. § 35 BtMG wegen Betäubungsmittelabhängigkeit angeordnet ist
Insbesondere eine Alkohol- oder Drogenabhängigkeit steht einer Verlegung in dem offenen Vollzug regelmäßig im Weg. Denn Gefangene im offenen Vollzug dürfen weder Alkohol trinken noch Drogen konsumieren. Wer aber ein unbehandeltes Suchtproblem hat, greift im Zweifel – vor allem wenn Konflikte auftreten – schnell wieder auf Suchtmittel zurück. Demgemäß werden vor allem Verurteilte nach dem Betäubungsmittelmittelgesetz nachteilig behandelt, wenn das Urteil Angaben zu einem Drogenkonsum des Angeklagten enthält. Diejenigen Gefangenen, die dies betrifft, müssen dann durch eine suchttherapeutische Behandlung oder eine längere Abstinenzphase ihre Eignung unter Beweis stellen.
Bei der Prognose für eine Eignung des Gefangenen im offenen Vollzug steht der JVA ein weiter Beurteilungsspielraum zu. Die gerichtliche Kontrolle ist eingeschränkt und beläuft sich nur auf die Frage, ob die Entscheidung der JVA rechtlich vertretbar ist. Mit anderen Worten: Die JVA darf die zweit- oder drittbeste Entscheidung treffen und im Einzelfall eine Verlegung in den offenen Vollzug ablehnen, wenn sie dafür zulässige Gründe angeben kann. Solange eine tragfähige Begründung der Nichteignung des Gefangenen vorliegt, hat das Gericht die Risikoeinschätzung der JVA zu akzeptieren – selbst wenn das Gericht diese Einschätzung nicht teilt.
Eine professionelle Verteidigung hat dies zu berücksichtigen. Gefangene sind gut beraten, möglichst frühzeitig mit der JVA ins Gespräch zu kommen und die positiven Weichen frühzeitig zu stellen. Dabei ist es zu empfehlen, die Korrespondenz mit der JVA über einen Rechtsanwalt zu führen. Gespräche zwischen der JVA und dem Gefangenen sind erfahrungsgemäß oft eine Einbahnstraße, in der viel von dem Gefangenen gefordert wird, im Gegenzug aber wenig und vor allem nichts Verbindliches in Aussicht gestellt wird. Durch die Einschaltung eines Rechtsanwalts kann eine Kooperation mit der Justizvollzugsanstalt ermöglicht werden, wo vorher unüberwindbare Barrieren zu sein schienen. Andererseits kann der Rechtsanwalt konsequent darauf hinwirken, dass die JVA den Mandanten auch „fördert“, indem konkrete Absprachen vereinbart werden und diese Vereinbarungen als verbindliche Regelungen in den Vollzugsplan aufgenommen werden. Der Mandant muss wissen, was von ihm erwartet wird und in welchem zeitlichen Rahmen eine Verlegung in den offenen Vollzug in Aussicht gestellt wird. Gelegentlich führt das Abringen solcher Zusagen zu Konflikten mit den Bediensteten der JVA, die sich äußerst ungerne auf eine bestimmte Position festlegen lassen möchten. Zur Planung und Realisierung von Lockerungen sind verbindliche Festschreibungen im Vollzugsplan aber für Gefangene unschätzbar wertvoll, da die JVA eine Absage an zuvor verbindliche Erklärungen nur noch schwer begründen kann. Im Idealfall kann ein produktiver Austausch mit der JVA eine zeitnahe Verlegung in den offenen Vollzug ohne Einschaltung des Gerichts bewirken.
Die Entscheidungsfindung der JVA
Für eine Verlegung in den offenen Vollzug sollte der Gefangene einen Antrag stellen. Bestenfalls sollte der Antrag durch einen Rechtsanwalt gestellt werden, wobei der Antrag durch den Rechtsanwalt ausführlich begründet werden sollte. Auf die Weise wird sich die JVA mit der Begründung des Antrags inhaltlich auseinandersetzen. Die Erfolgschancen eines begründeten Antrags sind wesentlich höher im Vergleich zu einem Antrag ohne substanzielle Begründung.
Die Antragstellung löst JVA-intern einen Entscheidungsprozess aus. Die JVA entscheidet nicht einfach über den Antrag, sondern berufen eine sog. Vollzugskonferenz unter der Leitung des zuständigen Abteilungsleiters ein. Zur Vorbereitung der Konferenz werden die Fachdienste der JVA (das sind zum Beispiel der allgemeine Vollzugsdienst, der Sozialdienst und die Abteilung für Sicherheit und Ordnung) jeweils schriftliche Stellungnahmen zum Antrag des Gefangenen verfassen. Diese Stellungnahmen werden im Rahmen der Vollzugskonferenz kurz besprochen. Es ergeht dann eine Entscheidung durch den zuständigen Abteilungsleiter, der die JVA als Ganzes repräsentiert. Befürwortet die JVA eine Verlegung in den offenen Vollzug, wird der Gefangene ohne ein gerichtliches Verfahren in eine Anstalt des offenen Vollzugs verlegt.
Rechtsschutzmöglichkeiten des Gefangenen
Steht die JVA nicht auf der Seite des Gefangenen, kann eine Verlegung in den offenen Vollzug gerichtlich durchgesetzt werden.
Die Erfolgschancen eines gerichtlichen Verfahrens hängen maßgeblich davon ab, mit welcher Begründung die JVA den Inhaftierten als ungeeignet angesehen hat. Die JVA hat zwar einen weiten Beurteilungsspielraum. Sie muss aber das ihr eingeräumte Ermessen pflichtgemäß ausüben. Hierfür muss die JVA den Sachverhalt vollständig und richtig ermittelt haben und ihre Entscheidung ausreichend begründen. Die JVA darf andererseits aber auch keine überspannten Anforderungen an die Eignung des Gefangenen stellen. Eine Verlegung in den offenen Vollzug hat bereits dann zu erfolgen, wenn dies „verantwortet“ werden kann. Das setzt keine absolut sichere Beurteilung der JVA heraus, dass der Inhaftierte geeignet ist. Ausreichend ist eine überwiegende Wahrscheinlichkeit, dass der Gefangene den Anforderungen an den offenen Vollzug gerecht wird.
Eine Besonderheit des gerichtlichen Verfahrens besteht darin, dass eine Verlegung in den offenen Vollzug in der Regel nicht unmittelbar erzwungen werden kann. Ein Anspruch auf eine Verlegung in den offenen Vollzug besteht nur dann, wenn jede andere Entscheidung der JVA als eine Verlegung in den offenen Vollzug rechtsfehlerhaft ist. Das wird allerdings nur in Ausnahmefällen der Fall sein. Wenn die JVA eine unzureichende oder fehlerhafte Begründung der Nichteignung trifft, kann eine gerichtliche Entscheidung nur eine Neuentscheidung erwirken. Die JVA muss dann die Eignung erneut prüfen, allerdings unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts. Die vom Gericht beanstandeten Gründe dürfen nicht erneut verwendet werden. Dadurch steigt die Chance auf eine positive Entscheidung im zweiten Anlauf.
Hält die JVA den Gefangenen weiterhin für ungeeignet und lehnt eine Verlegung in den offenen Vollzug ab, kann diese Entscheidung erneut gerichtlich angegriffen werden. Trotz dieser rechtlichen Nachteile sollte ein gerichtliches Verfahren in Gang gesetzt werden, wenn nur dadurch eine Perspektive auf Lockerungen möglich wird.
Hierzu ist ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung bei der zuständigen Strafvollstreckungskammer erforderlich. Der Antrag ist muss innerhalb einer Frist von zwei Wochen ab Kenntnisnahme der ablehnenden Entscheidung der JVA beim Gericht eingehen. Diese Frist wird bereits dadurch ausgelöst, dass dem Gefangenen die Entscheidung mündlich eröffnet wird. Es sollte daher unverzüglich ein Rechtsanwalt eingeschaltet werden, wenn eine gerichtliche Überprüfung erfolgen soll.
Für die Zulässigkeit des Antrags auf gerichtliche Entscheidung ist eine Antragstellung und eine Begründung des Antrags erforderlich. Zur Erstellung einer entsprechenden Antragsschrift ist die Beauftragung eines Rechtsanwalts dringend anzuraten.
Die Entscheidung der zuständigen Strafvollstreckungskammer ergeht schriftlich. Es findet regelmäßig kein mündlicher Termin statt.
Erfolg ist planbar
Eine professionelle Verteidigung erhöht Ihre Chancen auf eine Verlegung in den offenen Vollzug und anschließenden vorzeitigen Haftentlassung enorm. Durch die Übernahme Ihrer Verteidigung werden Sie nicht mehr als Spielball der Justiz behandelt. Die JVA wird sich bei jeder Entscheidung – in dem Wissen, dass ich fehlerhafte Entscheidungen anfechten werde – fragen müssen, ob Ihre Entscheidung durch das Gericht wieder aufgehoben werden könnte. Bei unverteidigten Gefangenen ist die JVA weniger behutsam, muss sie doch nicht mit einer Überprüfung ihrer Entscheidung rechnen.
Da ich ein seriöser Rechtsanwalt bin, kann ich Ihnen im Vorfeld eine günstige Entscheidung nicht garantieren. Doch es sollte klar sein, dass ich als Verteidiger mit den zuständigen Abteilungsleitern der JVA anders umgehen kann, als dies der Gefangene oder dessen Angehörige es tun können. Die Abteilungsleiter der JVA sind größtenteils Nicht-Juristen. Dementsprechend hoch ist auch die Fehlerquote der JVA, auch wenn die Gerichte die Stellungnahmen der JVA tendenziell wohlwollend bewerten.
Den Ablauf meiner Verteidigung möchte ich Ihnen detailliert darstellen.
Akteneinsicht
Zu Beginn des Mandats werde ich mir zunächst einen Überblick über die derzeitige Situation des Gefangenen verschaffen. Hierzu beantrage ich zunächst Akteneinsicht sowohl in die Ermittlungsakte als auch in die Vollstreckungsakte.
In der Ermittlungsakte befinden sich sämtliche Informationen, die zu der rechtskräftigen Verurteilung des Mandanten geführt haben. Besonders wichtig für die Verteidigung ist das Urteil, dass der Haftstrafe zugrunde liegt.
Die Vollstreckungsakte enthält u.a. das Vollstreckungsblatt, in dem alle wesentlichen Informationen über die Vollstreckung der Strafe aufgeführt sind, wie zum Beispiel die Art der Strafe (Geldstrafe, Freiheitsstrafe, Ersatzfreiheitsstrafe oder Sicherheitsverwahrung), der Beginn der Vollstreckung und die Dauer der Strafe. Außerdem befinden sich die Berichte der JVA in der Vollstreckungsakte. Eine schriftliche Stellungnahme des Mandanten hole ich mir als Arbeitsgrundlage ein. Auf Wunsch werde ich die Ziele und deren Umsetzung dem Mandanten gerne auch bei einem persönlichen Besuch in der JVA näherbringen.
Beratung des Mandanten
Im Anschluss an die Akteneinsicht werde ich dem Mandanten alle wesentlichen Informationen mitteilen und eine Prognose zum gegenwärtigen Verfahrensstand stellen. Dem Mandanten werden dann konkrete Aufgaben gegeben und es werden sowohl die Ziele besprochen als auch den Zeitraum, innerhalb dessen die gesetzten Zielen realistisch erreicht werden können.
Wurde der Mandant noch nicht zum Strafantritt geladen oder hat er die Haft erst seit kurzer Zeit angetreten, werde ich mit dem Mandanten an Lockerungen wie einer Verlegung in den offenen Vollzug zielgerichtet arbeiten. Mit dem zuständigen Abteilungsleiter, der eine spätere Verlegung in den offenen Vollzug letztendlich befürworten soll, halte ich Rücksprache und bespreche Ihren Fall. Auf Wunsch nehme ich auch an den Vollzugskonferenzen in der JVA teil, wenn ein Vollzugsplan erstellt oder fortgeschrieben wird. Diese Leistungen bieten einen Nährboden dafür, dass die JVA später zu einer günstigen Entscheidung kommt.
Antragsstellung
Sind die Chancen für einen Erfolg in ausreichendem Maß vorhanden, ist die Zeit reif für einen Antrag auf Verlegung in den offenen Vollzug.
Meistens werde ich erst nach Monaten oder sogar Jahren Haftdauer beauftragt, um eine sofortige Verlegung in den offenen Vollzug zu erreichen. Aufgrund der vorherigen Informationen wissen Sie, dass der Weg in den offenen Vollzug zuerst erarbeitet werden muss. Trotzdem kann ich durch einen Antrag mit einer ausführlichen Begründung und gegebenenfalls über ein gerichtliches Verfahren in vielen Fällen eine zeitnahe Verlegung in den offenen Vollzug erreichen, auch wenn die Chancen hierfür niedriger sind als bei einem Tätigwerden von Beginn an. Das liegt aus meiner Sicht maßgeblich daran, dass meine Begründungen sich am individuellen Einzelfall orientieren und überprüfbare Tatsachen aus einer Vielzahl von Quellen verwertet werden, u.a.:
- Erkenntnisse aus dem Strafurteil
- Erkenntnisse aus ggf. vorliegenden, vorherigen Entscheidungen der JVA und der Gerichte
- Erkenntnisse aus der aktuellen Stellungnahme der JVA und der Staatsanwaltschaft
- Erkenntnisse aus der von mir eingeholten Stellungnahme des Mandanten
Durch die Verwertung sämtlicher Informationen aus den o.g. Quellen lässt sich klar und mit Substanz argumentieren, warum eine Verlegung in den offenen Vollzug angezeigt ist. Ein solcher Antrag hat naturgemäß mehr Überzeugungskraft als eine Begründung im luftleeren Raum oder gar ein Antrag ohne jegliche Begründung. Die Argumente im Antrag können im Fall der Ablehnung des Antrags außerdem erneut im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens nutzbar gemacht werden. Ein gerichtliches Verfahren hat zudem den Vorteil, dass die Gerichte in ihre Entscheidung oft ausführlich dazu Stellung nehmen, an welchen Punkten der Gefangene noch zu arbeiten hat. Auch bei einer negativen Entscheidung kann in der Folge hieran zielgerichtet gearbeitet und dann ein neuer Versuch gestartet werden.
Antrag auf gerichtliche Entscheidung (§ 109 Strafvollzugsgesetz)
Befürwortet die JVA eine Verlegung in den offenen Vollzug nicht, werde ich einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung bei der zuständigen Strafvollstreckungskammer stellen und diesen Antrag ausführlich begründen.
Außerdem werde ich sogenannte Eilanträge im vorläufigen Rechtsschutz stellen, um eine vorläufige Regelung durch die Strafvollstreckungskammer zeitnah zu erstreiten.
Die Strafvollstreckungskammer wird meinen Antrag zur Stellungnahme an die JVA weiterleiten. Die JVA erhält die Gelegenheit, sich zu dem Antrag zu äußern.
Auf eine Stellungnahme der JVA werde ich mich erneut für meinen Mandanten äußern, sofern dies erforderlich ist.
Die Strafvollstreckungskammer wird dann unter Berücksichtigung aller Stellungnahmen eine Entscheidung treffen.
Rechtsbeschwerde (§ 116 Strafvollzugsgesetz)
Hat der Antrag auf gerichtliche Entscheidung keinen Erfolg, kann – allerdings nur in bestimmten Fällen – die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer durch das Oberlandesgericht im Wege der Rechtsbeschwerde überprüft werden.
Die Rechtsbeschwerde ist nämlich nur zulässig, wenn die Nachprüfung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten ist. Dementsprechend muss in der Rechtsbeschwerde vorgetragen werden, warum die Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des Rechts oder Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten ist.
Eine Entscheidung des Oberlandesgerichts ist durch Rechtsfortbildung geboten, wenn der vorliegende Fall Besonderheiten aufweist, über die noch keine Entscheidung ergangen ist. Häufig wird dies sein, wenn eine Grundsatzentscheidung ansteht bzw. über einen Präzidenzfall entschieden werden muss.
Hingegen ist eine Entscheidung durch das Oberlandesgerichts möglich, wenn der Fall bereits durch ein anderes Gericht entschieden worden ist und die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer zum Nachteil des Antragstellers von dieser Entscheidung abweicht. In dem Fall ist eine Überprüfung durch das Oberlandesgerichts möglich, damit Rechtsklarheit herrscht.
Sind diese formalen Hürden der Zulässigkeit des Rechtsmittels erst genommen, geht es um eine inhaltliche Überprüfung der Entscheidung der Strafvollstreckungskammer. Die Rechtsbeschwerde ist begründet, wenn die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer fehlerhaft gewesen ist.
Wie beim Antrag auf gerichtliche Entscheidung ergeht die Entscheidung des Oberlandesgerichts schriftlich ohne persönliche Anhörung der Beteiligten. Die Entscheidung des Oberlandesgerichts ist unanfechtbar und damit verbindlich.
Fazit
Eine Verlegung in den offenen Vollzug ist mit zahlreichen Annehmlichkeiten für Gefangene verbunden, die die Haftstrafe erträglich machen. Sie ist außerdem ein wichtiges Zwischenziel auf dem Weg zu einer vorzeitigen Entlassung aus der Haft.
Ein Direkteinstieg in den offenen Vollzug ist in Nordrhein-Westfalen unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Verurteilte, auf die diese Voraussetzungen nicht zutreffen oder die ihren Wohnsitz außerhalb NRW haben, können gegebenenfalls trotzdem nach einer kurzen Prüfphase in den offenen Vollzug wechseln, wenn sie eine feste Arbeitsstelle haben. Ansonsten ist eine Verlegung in den offenen Vollzug im Wege der Progression möglich, wenn sich der Gefangene im geschlossenen Vollzug ausreichend bewährt hat.
Ich unterstützte Inhaftierte auf Ihrem Weg in den offenen Vollzug und schreite ein, wenn die JVA die Rechte meines Mandanten verletzt. Ein gerichtlicher Rechtsschutz ist über einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung zu erreichen. Der Antrag kann mit der Gewährung von vorläufigem Rechtsschutz verbunden werden, um eklatante Rechtsfehler zu korrigieren und eine zeitnahe Entscheidung zu erwirken.
Sollten Sie an einer professionellen Verteidigung interessiert sein, nehmen Sie bitte unverbindlich Kontakt zu mir auf.
Die Erstberatung ist kostenlos.