Therapie statt Strafe gem. § 35 BtMG

Unter bestimmten Voraussetzungen kann eine Haftstrafe bis zu einer Dauer von 2 Jahren zugunsten einer Drogentherapie zurückgestellt werden. Trotz rechtskräftiger Verurteilung zu einer Strafe ohne Bewährung muss der Verurteilte nicht ins Gefängnis, wenn er sich rechtzeitig um eine Drogentherapie kümmert. Auf diesem Weg können lange Haftstrafen vermieden oder erheblich verkürzt werden.

Die Art der Therapie – ambulant oder stationär?

Die Therapie kann stationär oder ambulant erfolgen. Es muss sich nur um eine für die Durchführung von Therapien gem. § 35 BtMG anerkannte Einrichtung bzw. um eine Einrichtung mit einem anerkannten Therapiekonzept handeln. Das Gesetz sieht keine Einschränkungen für ambulante Therapien vor. In einigen Fällen können die Erfolgsaussichten einer ambulanten Therapie gegenüber einer stationären Therapie höher sein, etwa weil der Betroffene weiterhin am sozialen Leben außerhalb der Einrichtung teilnehmen kann und dadurch eine zusätzliche Motivation hat, die Therapie erfolgreich durchzuführen. Nicht zu unterschätzen ist auch, dass es das Ziel der Therapie ist, mit den Widrigkeiten des Alltags umzugehen, ohne auf Drogen zurückzugreifen. Eine ambulante Therapie setzt den Betroffenen weiterhin den alltäglichen Problemen des Berufs- und Familienlebens aus. Sie kann den Betroffenen daher unter Umständen besser auf das Leben nach der Therapie vorbereiten als eine stationäre Therapie. Sie muss auch nicht weniger intensiv sein, wie ein häufiges Vorurteil aber hartnäckig behauptet.

Trotzdem lehnen viele Staatsanwaltschaften eine Zurückstellung der Strafe zugunsten einer ambulanten Therapie kategorisch ab. Viele Rechtsanwälte raten deshalb Betroffenen dazu, sich von vornherein nur für eine stationäre Therapie zu bewerben. Ich teile diesen Rat nicht. Betroffene sollten sich nicht damit zufriedengeben, sich in ein mit ihrem Lebenskonzept nicht zu vereinbarendes Konzept drängen zu lassen, wenn es gleich effektive und auf das Lebenskonzept anwendbare Alternativen gibt. Für diejenigen, die eine ambulante Therapie anstreben, habe ich eine Lösung: Sie bewerben sich auf eine ambulante und eine stationäre Therapiestelle und ich beantrage die Zurückstellung der Strafe für die ambulante Therapie und nur hilfsweise dafür, dass die Staatsanwaltschaft die ambulante Therapie nicht anerkennt, zugunsten der stationären Therapie. Auf diese Weise laufen Sie keine Gefahr, dass gar keine Therapie von der Staatsanwaltschaft genehmigt wird und Sie die Zurückstellung der Strafe riskieren. Gegen die ablehnende Entscheidung der Staatsanwaltschaft bezüglich der ambulanten Therapie kann ohne Risiko eine gerichtliche Entscheidung herbeigeführt werden. In Anbetracht der langen Wartezeiten bis zu einem festen Aufnahmetag zur Therapie sollten Sie sich ohnehin bei mehreren Einrichtungen bewerben.

Die Vorteile einer Therapie

Die Möglichkeit, eine Therapie anstelle einer Haftstrafe durchzuführen, stellt eine Privilegierung von Drogenabhängigen gegenüber anderen Straftätern dar. Der Hauptvorteil der Regelung des § 35 BtMG liegt darin, dass die Strafe trotz rechtskräftiger Verurteilung ohne Bewährung nicht vollstreckt wird oder zumindest sich die Zeit im Gefängnis erheblich verkürzt. Zum Aufnahmetag begibt der Verurteilte sich in eine Therapieeinrichtung, für die er sich persönlich beworben hat. Hat der Verurteilte sich bereits in Haft befunden, wird er entweder in die Einrichtung verlegt oder in Freiheit entlassen. 

Mit Therapieende bleibt der Betroffene in Freiheit, obwohl er gegebenenfalls seine Strafe noch nicht voll verbüßt hat. Die Reststrafe wird nach einer erfolgreichen Therapie zur Bewährung ausgesetzt. Auf diese Weise können auch zu mehrjährigen Haftstrafen Verurteilte sich einiges an Haftzeit ersparen.

Beispiel: Der Gefangene wurde zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten verurteilt. Von dieser Strafe muss er nur 6 Monate in der JVA verbringen. Nach den 6 Monaten absolviert er eine Drogentherapie von weiteren 6 Monaten. Die Reststrafe von einem Jahr und 6 Monaten wird zur Bewährung ausgesetzt. Effektiv ist dem Gefangenen somit ein Aufenthalt in der JVA von 2 Jahren erspart geblieben.

Die Therapie nach § 35 BtMG stellt deshalb eine Chance für Verurteilte da, deren Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt wurde. Dabei sollte aber nicht verkannt werden, dass eine gute Strafverteidigung immer das Ziel haben sollte, eine Haftstrafe von vornherein zu vermeiden. Ein Freispruch oder eine Bewährungsstrafe sind stets das vorrangige Ziel einer Strafverteidigung. Die Therapiemöglichkeit nach § 35 BtMG sollte niemals im Vordergrund der Strafverteidigung stehen, sondern stets nur Plan B sein. Es handelt sich bei der Therapie statt Strafe gemäß § 35 BtMG buchstäblich um den „letzten Strohhalm“ zur Vermeidung oder Verkürzung einer Haftstrafe.

Ein weiterer Vorteil ist die Freiwilligkeit einer Therapie gemäß § 35 BtMG. Der Verurteilte kann weder zum Aufenthalt in der Einrichtung gezwungen werden noch kann seine Unterbringung verlängert werden. Führt der Gefangene die Therapie allerdings nicht durch oder bricht er die Therapie ab, ist mit einem Widerruf der Zurückstellung der Strafe zu rechnen. Die Reststrafe wird dann wieder vollstreckt. Der Verurteilte kann aber jederzeit einen neuen Antrag auf Zurückstellung der Strafe unter den gleichen Voraussetzungen stellen. 

Die Nachteile einer Therapie

Strebt der Verurteilte eine Therapie gemäß § 35 BtMG an, offenbart er der Justiz seine Drogenabhängigkeit. Regelmäßig hat das Strafgericht die Abhängigkeit in dem Urteil festgestellt. Damit verbinden sich Nachteile des Verurteilten während der Strafvollstreckung.

Ein unbehandeltes Suchtmittelproblem verträgt sich nicht mit einer Verlegung in den offenen Vollzug. Der Betroffene wird im Vergleich zu anderen Häftlingen über einen längeren Zeitraum unter Beweis stellen müssen, dass er zuverlässig ist und nicht zu befürchten ist, dass er im offenen Vollzug wieder zu Drogen greift. Er wird seine Abstinenz durch Drogenscreenings belegen müssen. Auch stehen die Chancen für eine vorzeitige Haftentlassung nach Halbstrafe oder Zweidrittelstrafe schlechter, je gravierender die Betäubungsmittelabhängigkeit ist. Der Verteidiger sollte deshalb die Vor- Und Nachteile einer Therapie gemäß § 35 BtMG im Einzelfall sorgfältig abwägen und mit seinem Mandanten besprechen.

Der Unterschied zu einer Unterbringung gemäß bei § 64 StGB

In die Strafverteidigung sollte auch die Überlegungen einbezogen werden, ob nicht eine Unterbringung gemäß § 64 StGB gegenüber einer Therapie gemäß § 35 BtMG in Erwägung gezogen werden sollte. Das ist allerdings nur im Rahmen des Strafverfahrens möglich. Nach Rechtskraft des Urteils kann eine Therapie gemäß § 64 StGB nicht mehr erreicht werden. Umgekehrt ist es aber möglich, eine Therapie gemäß § 35 BtMG zu beginnen, obwohl das Gericht eine Unterbringung gemäß § 64 StGB angeordnet hat. 

Nach der derzeit gültigen Gesetzesfassung des § 64 StGB wird es allerdings auch regelmäßig das Ziel sein, dem Mandanten eine Unterbringung gemäß § 64 StGB zu ersparen. Im Gegensatz zu einer Therapie gemäß § 35 BtMG wird der Verurteilte bei einer Unterbringungsanordnung durch das Strafgericht zwangsweise in einer stationären Einrichtung des Maßregelvollzugs untergebracht. Die Therapiedauer im Maßregelvollzug beträgt regelmäßig 1,5 – 2 Jahre. Im Rahmen des Therapiekonzeptes wird der Maßregelpatient mit zunehmendem Fortschritt stufenweise gelockert, bis er die Einrichtung für eine gewisse Zeit verlassen darf. Doch auch nach dem eigentlichen Zeitablauf der Therapie finden noch umfangreiche Nachsorgemaßnahmen statt, denen der Maßregelpatient nachkommen muss. 

Die Therapiezeit kann die gesetzliche Höchstfrist von 2 Jahren deutlich überschreiten, da die daneben bestehende Freiheitsstrafe die Höchstfrist verlängern kann (§ 67 d Absatz 1 Satz 3 StGB). Dadurch kann ein Freiheitsentzug über das im Urteil angeordnete Strafmaß hinaus entstehen. Wird die Therapie aufgrund einer mangelnden Behandlungsaussicht beendet („für erledigt erklärt“), wird der Betroffene zurück in die JVA verlegt. Die verbliebene Reststrafe wird in den meisten Fällen dann vollständig vollstreckt werden. Eine vorzeitige Haftentlassung nach 1/2 – oder 2/3 – Strafe ist zwar nicht per Gesetz ausgeschlossen, praktisch aber kaum zu erreichen.

Im Vergleich zu § 35 BtMG kann eine Therapie gemäß § 64 StGB bei sehr hohen Freiheitsstrafen strategisch sinnvoll sein. Bei hohen Freiheitsstrafen kann eine vorzeitige Haftentlassung nach 2/3 der Strafe rechnerisch günstiger sein als ein Strafvollzug bis zu einer Reststrafe von 2 Jahren, wie es die Anwendung des § 35 BtMG erfordert. Außerdem beginnt die Therapie im Fall einer Unterbringung gemäß § 64 StGB bei hohen Haftstrafen früher. Der Vorteil einer Entlassung nach 1/2 – Strafe oder 2/3 – Strafe gilt aber auch für den Strafvollzug und ist kein Privileg des § 64 StGB. Der (gewöhnliche) Strafvollzug ist damit eine Alternative zu § 64 StGB. Einige Verurteilte empfinden das Leben im Maßregelvollzug aber angenehmer gegenüber der Strafhaft; hier mag jeder für sich selbst entscheiden, welchen Weg er wählen möchte. 

Diese Überlegungen stellen sich aber nur in der Phase der Strafverteidigung bis zur Rechtskraft des Urteils. Hat das Gericht die Unterbringung gemäß § 64 StGB angeordnet, so geht diese einer Therapie gemäß § 35 BtMG vor. Das Gesetz gibt Betroffenen aber die Möglichkeit, trotzdem eine Therapie gemäß § 35 BtMG zu absolvieren. Allerdings verweigern viele Staatsanwaltschaften unter Hinweis auf den Anwendungsvorrang des § 64 StGB ihre Zustimmung zur Zurückstellung der Strafe gemäß § 35 BtMG. Diese Praxis ist mit dem Gesetz nicht vereinbar und sollte gerichtlich angefochten werden.

Der Weg von der Antragstellung bis zur Entlassung

Um eine schnellstmögliche Therapie zu ermöglichen, sollte so früh wie möglich die notwenigen Unterlagen eingeholt werden – einen Therapieplatz mit einem festen Aufnahmedatum und eine Kostenzusage. Liegen die Unterlagen vor, ist ein Antrag bei der zuständigen Staatsanwaltschaft auf Zurückstellung der Strafe zu stellen.

Eine Drogentherapie gem. § 35 BtMG ist erst nach Abschluss des Strafverfahrens mit Eintritt der Rechtskraft möglich. Auf den Antrag des Verurteilten stellt die Staatsanwaltschaft mit Zustimmung des Gerichts die Strafe unter den übrigen Voraussetzungen des § 35 BtMG zurück. Der Verurteilte erhält hiervon einen schriftlichen Bescheid von der Staatsanwaltschaft. Damit ist der Weg frei für die Therapie. 

Eine Therapie gem. § 35 BtMG dauert erfahrungsgemäß etwa ca. 4 – 6 Monate. Nach erfolgreichem Bestehen der Therapie wird die Reststrafe zur Bewährung ausgesetzt. Je schneller die Therapie also erfolgreich beendet wird, desto früher hat der Verurteilte keine Einschränkungen in seiner Freiheit mehr durch die Justiz zu erleiden. 

Die Therapie ist freiwillig und der Verurteilte kann nicht zum Aufenthalt in der Einrichtung gezwungen werden. Führt der Gefangene die Therapie allerdings nicht durch oder bricht er die Therapie ab, ist mit einem Widerruf der Zurückstellung der Strafe zu rechnen. Die Reststrafe wird dann wieder vollstreckt. Der Verurteilte kann aber jederzeit einen neuen Antrag auf Zurückstellung der Strafe unter den gleichen Voraussetzungen stellen; er benötigt dann eine neuen Therapieplatz und Kostenzusage. 

Voraussetzungen für den Beginn einer Therapie gem. § 35 BtMG

Hat sich der Mandant dafür entschieden, eine Therapie gemäß § 35 BtMG anzustreben, sind die Voraussetzungen der Vorschrift genauer in den Blick zu nehmen. Damit es zu einer Therapie anstelle einer Haft kommen kann, muss der Verurteilte sich rechtzeitig bemühen, die formalen Voraussetzungen zu erfüllen. Die Staatsanwaltschaft muss einer Zurückstellung der Strafe zugunsten einer Drogentherapie zustimmen. Hierzu müssen folgende Voraussetzungen gleichzeitig vorliegen:

Meine Leistung

Als Verteidiger unterstütze ich Sie bei der schnellstmöglichen Bewilligung einer Therapie gemäß § 35 BtMG. Die Antragstellung und Sammlung der erforderlichen Dokumente durch die Mitarbeiter der JVA dauert erfahrungsgemäß monatelang. Das führt regelmäßig dazu, dass Gefangene unnötige Haftzeit in der JVA verbringen. Der Prozess von der Antragstellung bis zur Bewilligung der Therapie wird durch meine Unterstützung erheblich beschleunigt. Auf eine Mitwirkung der JVA sind Betroffene dann nicht mehr angewiesen. Durch eine professionelle anwaltliche Begleitung vermeiden Sie Fehler und verschwenden keine Zeit in der JVA. Gemeinsam erörtern wir, welches Therapiekonzept sich am besten in ihr Leben einfügt. Bei der Auswahl der Therapiestelle und bei der Bewerbung unterstützte ich Sie. 

Liegen die erforderlichen Unterlagen vor, stelle und begründe ich für Sie den erforderlichen Antrag auf Zurückstellung der Strafe bei der zuständigen Staatsanwaltschaft. Sollte die Staatsanwaltschaft sich weigern, die Strafe zugunsten einer Drogentherapie zurückzustellen, werde ich hiergegen Rechtsmittel einlegen.