Mit Abschluss des Strafverfahrens und Rechtskraft des Urteils beginnt die Strafvollstreckung. Die Staatsanwaltschaft ist für die Vollstreckung der Strafe zuständig. Sie wird den Verurteilten eine Ladung zum Strafantritt mit einfacher Post zusenden.
Der Verurteilte hat sich dann innerhalb der in der Ladung bezeichneten Frist in der JVA einzufinden und sich dem Strafantritt zu stellen (sog. Stellungsbefehl).
Üblicherweise wird ihm hierfür eine kurze Frist von 1 – 2 Wochen eingeräumt.
Was ist ein Strafaufschub?
Durch einen Strafaufschub kann die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe bis zu vier Monaten hinausgeschoben werden. Das kann sinnvoll sein, um es dem Verurteilten zu ermöglichen, vor der Inhaftierung noch seine Angelegenheiten regeln zu können. Der Haftaufschub kommt vor allem dann in Betracht, wenn der Zeitpunkt des Haftantritts für den Verurteilten oder seine Familie besonders ungünstig ist. Im Einzelfall kann die Zeit für ein strafrechtliches Wiederaufnahmeverfahrens genutzt werden, um die Haftstrafe doch noch abzuwenden, um die Voraussetzungen für eine Verlegung in den offenen Vollzug zu schaffern oder Wartezeit für eine Zurückstellung der Strafe gem. § 35 BtMG (Therapie statt Strafe) zu überbrücken.
Voraussetzungen für einen Strafaufschub
Der Haftaufschub ist in § 456 StPO gesetzlich geregelt. Dort sind auch die Voraussetzungen für die Gewährung eines Strafaufschubs bestimmt.
Erheblicher, außerhalb des Strafzwecks liegender Nachteil
Der Verurteilte muss vortragen, dass ihm bei sofortigem Vollzug der Strafe ein erheblicher, außerhalb des Strafzwecks liegender Nachteil entsteht. Eine sofortige Vollstreckung sieht das Gesetz generell nicht vor. Die Vollstreckung der Strafe darf keine unzumutbare Härte für den Verurteilten oder seine Familie bedeuten.
Die Gerichte haben in der Vergangenheit in zahlreichen Entscheidungen die Voraussetzungen des Strafaufschubs konkretisiert. In der Rechtsprechung sind folgende Gründe anerkannt:
- notwendige gesundheitliche Behandlungen
- Versorgung von Kindern oder Pflege von anderen Angehörigen, wenn dies nicht anders möglich wäre
- Teilnahme an Beerdigungen nahestehender Personen
- bevorstehender Abschluss einer Ausbildung oder Umschulung
Betriebliche Gründe bei Selbstständigen
- geordnete Übergabe der bisherigen beruflichen Tätigkeit an einen Nachfolger
- Gleichzeitig gestellter Antrag auf Verlegung in den offenen Vollzug zum Erhalt eines Arbeitsplatzes
Behebbarkeit des Nachteils innerhalb einer Frist von vier Monaten
Der Eintritt des geltend gemachten Nachteils muss innerhalb einer Frist von vier Monaten vermeidbar sein. Zu berücksichtigen können nur solche Nachteile sein, deren Eintritt durch einen vorübergehenden Aufschub des Strafvollzugs verhindert werden können. Ein Haftaufschub kann nur bis zu einer Höchstfrist von vier Monaten aufgeschoben werden. Daraus folgt, dass der Nachteil innerhalb dieser Zeitspanne abgewendet werden können muss. Es fehlt ansonsten an einem durchgreifenden Grund dafür, dass es eines Strafaufschubs bedarf, wenn der Nachteil ohnehin nicht innerhalb der Höchstfrist von vier Monaten abgewendet werden kann.
Ablauf des Verfahrens
Der Haftaufschub muss rechtzeitig bei der Staatsanwaltschaft beantragt werden. Die Staatsanwaltschaft wird dann als zuständige Behörde für die Strafvollstreckung über den Antrag ohne Beteiligung eines Gerichts entscheiden. Die Voraussetzungen für einen Haftaufschub sind hoch. Der Antrag sollte deshalb ausführlich begründet werden.
Sollte über den Antrag nicht rechtzeitig entschieden werden und der Verurteilte sich zwischenzeitlich der JVA gestellt haben, hat sich der Antrag nicht automatisch erledigt. Die Vollstreckung der Strafe kann trotzdem aufgeschoben und der Verurteilte kurzerhand bis zur angeordneten Dauer aus der Haft entlassen werden.
Begründung des Antrags auf Strafaufschub
Der Antrag wird nur dann Aussicht auf Erfolg haben, wenn er einen Sachverhalt darstellt, die im juristischen Kontext einen wichtigen Grund darstellen. Der Antrag sollte daher folgende Komponenten beinhalten:
- Die Darstellung eines wichtigen Grundes
- Gegebenenfalls die Angabe der einschlägigen Rechtsprechung, wenn der wichtige Grund durch die Gerichte bereits anerkannt ist
- Die Darstellung der Behebbarkeit des Grundes
- Die Darstellung der negativen Folgen einer sofortigen Strafvollstreckung für die Resozialisierung des Verurteilten
- Weitere Angaben des Verurteilten, wie und in welchem Zeitraum der wichtige Grund behoben werden kann
Sicherheitsleistung
Die Erfolgsaussichten eines Antrags auf Strafaufschub können dadurch erhöht werden, dass der Verurteilte eine Sicherheitsleistung in Form einer Kaution durch Zahlung eines Geldbetrags (§ 116 Absatz 1 Nr. 4 StGB) anbietet.
Der Verurteilte zahlt dann als Sicherheitsleistung einen bestimmten Geldbetrag in die Justizkasse ein. Die Höhe der Sicherheitsleistung wird durch das Gericht angeordnet. Allerdings sollte der Verurteilte einen Betrag beziffern, den er bereit und imstande ist, als Sicherheit zu zahlen. Möglich ist auch die Zahlung eines Dritten für den Verurteilten. Zur Höhe der Sicherheitsleistung kann folgendes gesagt werden: Je höher die angebotene Kaution ist, desto größer sind die Erfolgsaussichten für einen Haftaufschub.
Die Kaution wird zurückgezahlt, sobald der Verurteilte innerhalb der gewährten Frist bei der JVA stellt. Entzieht sich der Verurteilte hingegen der Strafvollstreckung, so verfällt die Kaution und wird nicht mehr zurückgezahlt.
Entscheidung der Staatsanwaltschaft
Über den Antrag entscheidet die Staatsanwaltschaft nach Ermessen. Ein zwingender Anspruch auf die Gewährung von Strafaufschub besteht nicht. Das folgt schon aus dem Gesetz in § 456 StPO: Auf Antrag des Verurteilten kann die Vollstreckung aufgeschoben werden. Allerdings muss die Staatsanwaltschaft ihr Ermessen ordnungsgemäß ausüben. Hierzu gehört, dass die Staatsanwaltschaft den vollständigen Sachverhalt berücksichtigt und sich mit den im Antrag vorgebrachten Gründen auseinandersetzt, die Gründe nach ihrem Schweregrad gewichtet und die Folgen ihrer Entscheidung abwägt. Eine beliebige Entscheidungsfreiheit besteht deshalb nicht. Bei unzweifelhaftem Vorliegen von gewichtigen Gründen kann die Staatsanwaltschaft daran gebunden sein, den Antrag auf Strafaufschub zu bewilligen. Nur in Grenzfällen darf sie die Gewährung eines Haftaufschubes versagen.
Gerichtliche Entscheidung
Gegen die Ablehnung eines Antrags auf Strafaufschub durch die Staatsanwaltschaft kann eine gerichtliche Entscheidung (§ 458 Absatz 2 StPO) der herbeigeführt werden. Durch das Gericht kann auf diese Weise auch gegen den Willen der Staatsanwaltschaft ein Haftaufschub gewährt werden.
Die Anhängigkeit bei Gericht unterbricht allerdings nicht die Strafvollstreckung. Der Verurteilte muss also fristgemäß seine Strafe antreten. Das Gericht kann auch vor einer abschließenden Entscheidung einen Aufschub der Strafvollstreckung anordnen und sogar eine mittlerweile begonnene Strafvollstreckung wieder unterbrechen und den Verurteilten für einen bestimmten Zeitraum aus der Haft entlassen (§ 458 Absatz 3 StPO). Dies sollte zur Vermeidung unbilliger Härten durch einen Sofortvollzug unbedingt beantragt werden.
Zu beachten ist, dass das Gericht die Entscheidung der Staatsanwaltschaft, den Verurteilten keinen Strafaufschub zu gewähren, nur im Hinblick auf Ermessensfehler der Staatsanwaltschaft überprüft. Der Antrag der Verteidigung auf eine gerichtliche Entscheidung sollte sich daher mit der ablehnenden Entscheidung der Staatsanwaltschaft auseinandersetzen und die in der Entscheidung liegenden Ermessensfehler benennen. Anerkannt sind insoweit folgende Ermessensfehler:
Ermessensnichtgebrauch
Die Staatsanwaltschaft ist bei Ihrer Entscheidung nicht davon ausgegangen, einen Ermessensspielraum zu haben. Ein Ermessensnichtgebrauch liegt insbesondere vor, wenn die Behörde keine Begründung ihrer Entscheidung anführt oder sie zwar einen Ablehnungsgrund anführt, diesen aber nicht mit anderen Gründen abwägt.
Ermessensfehlgebrauch
Die Begründung der Staatsanwaltschaft beinhaltet vom Gesetz nicht vorgesehene sachfremde Erwägungen oder die vorgebrachten Gründe werden nicht in Verhältnis zueinander gesetzt und nicht abgewogen.
Ermessensüberschreitung
Die Staatsanwaltschaft hält sich nicht im Rahmen des ihr eingeräumten Ermessens. Das ist beispielsweise der Fall, wenn sie eine Rechtsfolge wählt, die vom Gesetz nicht vorgesehen ist.
Sofortige Beschwerde
Die gerichtliche Entscheidung kann durch das Oberlandesgericht als höherrangiges Gericht korrigiert werden.
Die Beschwerde ist innerhalb einer Frist von einer Woche ab Zustellung der ablehnenden Entscheidung des Gerichts einzulegen. Im Rahmen der sofortigen Beschwerde wird weiterhin nur geprüft, ob die Entscheidung der Staatsanwaltschaft frei von Ermessensfehlern ist.
Hat auch die sofortige Beschwerde keinen Erfolg, existiert kein weiteres Rechtsmittel mehr. Der angeführte Grund ist damit „verbraucht“. Es ist aber weiterhin zulässig, einen neuen Antrag auf Strafaufschub zu stellen und diesen mit einem anderen wichtigen Grund zu begründen.
Ich helfe Ihnen!
Als erfahrener Strafverteidiger und Strafvollstreckungsexperte berate Sie umfassend zum Thema Strafaufschub und setze mich mit Nachdruck dafür ein, dass Sie den Strafaufschub erhalten, den Sie benötigen. Für den größtmögliche Erfolgschance lege großen Wert darauf, dass die Antragsschrift in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht den Sachverhalt vollständig erfasst und flankierend dazu Argumente und Rechtsprechung juristisch aufbereitet werden.