n einem Verfahren vor der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bonn wurde ein Erfolg für einen Mandanten erzielt: Trotz negativer Prognose der Justizvollzugsanstalt und der Staatsanwaltschaft erfolgte die Entlassung zum Zweidritteltermin.
Damit erledigte sich der Streit über die zuvor verweigerte Gewährung von Langzeitausgang. Dennoch traf das Gericht eine klare Entscheidung: Die Ablehnung des Langzeitausgangs durch die JVA war rechtswidrig.
Ausgangslage: Antrag auf Langzeitausgang wurde pauschal abgelehnt
Der Mandant verbüßte eine dreijährige Freiheitsstrafe im offenen Vollzug der JVA Euskirchen. Rechtzeitig vor dem Zweidritteltermin beantragte er Langzeitausgang gemäß § 59 Abs. 2 StVollzG NRW zur Vorbereitung der Wiedereingliederung.
Die JVA verweigerte den Langzeitausgang jedoch – mit der Begründung, es werde von einer Vollverbüßung ausgegangen. Grundlage war ein älterer Vollzugsplan, der eine vorzeitige Entlassung als unwahrscheinlich einstufte.
Die Entscheidung der JVA stützte sich dabei im Wesentlichen auf:
- frühere Strafverurteilungen,
- eine ältere Vollzugsplanprognose,
- und die Annahme, eine Bewährung komme nicht in Betracht.
Aktuelle positive Entwicklungen wurden nicht berücksichtigt.
Entscheidende Wendung: Reststrafe wurde zur Bewährung ausgesetzt
Im weiteren Verlauf konnten wir erreichen, dass der Mandant zum Zweidritteltermin gemäß § 57 StGB zur Bewährung entlassen wurde – entgegen der Einschätzung der JVA und Staatsanwaltschaft.
Damit wurde deutlich:
Die negative Prognose der JVA war sachlich nicht haltbar.
Durch die Bewährungsentscheidung erledigte sich der Streit über den Langzeitausgang zwar in der Hauptsache, doch blieb eine wichtige Frage offen:
Wer trägt die Kosten des Verfahrens?
Klarstellung der Kammer: Die JVA hat rechtswidrig entschieden
Bei erledigten Verfahren richtet sich die Kostenverteilung danach, wie das Verfahren ohne die Erledigung ausgegangen wäre. Die Strafvollstreckungskammer stellte klar:
Der Antrag auf Langzeitausgang wäre erfolgreich gewesen.
Die JVA hatte ihr Ermessen fehlerhaft ausgeübt, insbesondere weil:
1. Wesentliche positive Faktoren ignoriert wurden
Der Mandant war von 2018 bis 2023 – also über fünf Jahre – straffrei. Dieser Umstand spricht deutlich für Stabilität und positive Entwicklung, wurde aber von der JVA nicht berücksichtigt.
2. Die Entscheidung auf einer veralteten Vollzugsplanprognose beruhte
Eine statische Betrachtung der früheren Verurteilungen genügt den gesetzlichen Anforderungen nicht. Für die Entscheidung über Langzeitausgang zählt die voraussichtliche Entlassung – und diese war im konkreten Fall positiv.
3. Eine erneute, ermessensgerechte Abwägung zwingend erforderlich gewesen wäre
Die Kammer betonte, dass die Nichtberücksichtigung entscheidender Faktoren durch die JVA die Rechtswidrigkeit der Entscheidung zur Folge habe.
Die logische Konsequenz: Die Kosten trägt die Staatskasse.
Bedeutung des Beschlusses für Gefangene in NRW
Dieser Fall verdeutlicht zentrale Grundsätze des strafvollzugsrechtlichen Ermessens:
1. Negativen JVA-Prognosen darf nicht blind gefolgt werden.
Gerichte prüfen, ob die JVA tatsächlich alle relevanten Umstände einbezogen hat. Oft ist das nicht der Fall.
2. Langzeitausgang ist ein wichtiges Instrument der Entlassungsvorbereitung.
Er darf nicht allein mit pauschalen Prognosen blockiert werden.
3. Positive Entwicklungen müssen berücksichtigt werden.
Straffreie Zeiträume, gelungenes Vollzugsverhalten, offene Vollzugsform, Arbeit und soziale Stabilität sind zwingend zu würdigen.
4. Fehlerhafte Entscheidungen lassen sich erfolgreich angreifen.
Viele Gefangene erhalten Lockerungen erst nach einer externen, unabhängigen Prüfung.
Haftanwalt: Spezialisiert auf Vollzug, Lockerungen und Entlassung
Als bundesweit agierende Kanzlei für Strafvollzug setzen wir uns konsequent dafür ein, fehlerhafte Entscheidungen der Vollzugsbehörden aufzudecken und korrigieren zu lassen.
Ob es um Langzeitausgang, Urlaub, Ausgang, Verlegungen oder die Reststrafenaussetzung geht – eine professionelle Überprüfung erhöht die Chancen erheblich.
Download: Beschluss des LG Bonn
